HM-HETZELMEDIA

Von       : H.HETZEL, Den Haag

Datum     : 17.7.2025

 

„Der Dialog mit dem Drachen“ – wichtiger denn je

Es gilt zu verhindern, dass China die demokratisch regierte Insel Taiwan angreift und der Dritte Weltkrieg ausbricht

Von HELMUT HETZEL

 

Den Haag. „China kennt uns besser als wir China kennen.“ Das ist einer der Kernsätze aus dem neuen Buch: „Dialog mit dem Drachen“ von Marina Rudyak (Campus Verlag, Frankfurt/M., New York) Erscheinungsdatum: 17. April 2025.

Dialog mit dem Drachen: Wie uns strategische Empathie gegenüber China stärken kann

Persönliche Erinnerungen

Während ich das Buch lese, schweifen meine Gedanken immer zurück, zurück in meine China-Zeit (1983-1985) und zurück eine meine vielen späteren Besuche im Reich der Mitte. Es waren viele Comebacks nach Peking, Shanghai, nach Hong Kong, dessen einstige Freiheiten Peking inzwischen alle einkassiert hat.

Und natürlich nach Taiwan, der demokratisch regierten Insel, die de facto unabhängig ist aber von den Kommunisten in Peking als  „chinesisches Territorium“ beansprucht wird. Dazu später mehr.

Ich denke zurück an den Staatsbesuch mit der damaligen Königin Beatrix der Niederlande und deren Gatten Prinz Claus, und dessen ältesten Sohn, dem damaligen 32jährigen Kronprinzen Willem-Alexander und heutigen König der Niederlande, im Jahr 1999.

Mein Freund Xing

In Peking 1999: Da stand er wieder, mein Freund Xing.

Ich hatte Xing in Peking während meiner kleinen Abstecher am Rande des offiziellen Programms des Staatsbesuchs von Königin bereits getroffen und mich eingentlich von ihm schon verabschiedet. Jetzt war er plötzlich wieder da.

Wenn ich Marina Rudyak´s Buch „Dialog mit dem Drachen“ lese, spulen sich all die Szenen, viele Szenen in meinem Gehirn wieder ab.  Ein China-Film läuft. Mir fallen auch die vielen und vielsagenden chinesischen Sprichworte wieder ein, die ich damals in China lernte – zu schätzen lernte.

Deng Xiaoping

Das berühmtese in jener Zeit war das von Den Xiaoping, dem Reformer der Wirtschaft und dem Kommandeur der „Volksbefreiungsarmee.“ Das Sprichwort lautet: „Egal ob eine Katze weiß oder schwarz ist, Hauptsache sie fängt Mäuse.“

 

Deng Xiaoping – Wirtschaftsreformer – aber auch Massenmörder. Er gab den Befehl zum Massaker auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989

Deng war Oberfehshaber der „Volksbefreiungsarmee VBA“ und damit der Initiator und der Massenmörder des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens – Tiananmen Platz – in Peking am 3.,4.,5. Juni 1989. Denn er gab den Befehl zur gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung, die Freiheit und Demokratie für China forderte. Schätzungsweise zwischen 3000 und 10.000 Demonstraten wurden getötet, berichteten  Augenzeugen.

Das Bild des „Tank Man“ taucht wieder in meinem Gedächtnis auf. Der Mann, der sich einem Panzer in den Weg stellte, um ihn aufzuhalten. Man weiß bis heute nicht, was mit dem „Tank Man“ passiert ist.

 

Tiananmen's tank man: The image that China forgot

Die Zeit in Peking

Xing war mein bester Freund und Kollege während meiner Zeit in Peking als Lektor für Deutsche Sprache und Literatur im chinesischen Verlagshaus „Foreign Languages Press,“ Abteilung Literatur (1983-1985). Damals begann ich auch als Auslandskorrespondent aus China zu berichten.

Xing, ich nannte ihn nur „Meister Xing,“ was ihn sehr stolz machte, war auch oft mein Übersetzer, wenn wir zusammen in Peking unterwegs waren.

Xing und ich, wir waren echte Freunde.

 

Mein „chinesischer Pass“ 1983 für den Zugang zu Foreign Languages Press

Das chinesische Wirtschaftswunder

Da stand er nun vor mir, völlig unerwartet, grinste mich an mit seinem unwiderstehlichen Lächeln und sagte: „Freund Helmut, ich habe ein Geschenk für Dich.“

Er zeigte auf zwei große hohe Kartons. „Da ist es drin.“

Xing und ich waren glücklich. Dann kam der Knaller: Xing lädt mich zu einem Glas Wein ein „oder wenn Du willst einen Cognac“ sagte er, an der Hotelbar. Ich dachte, ich falle vom Hocker, noch bevor ich auf diesem an der Bar gesessen hatte. Xing lädt mich in einem Fünf-Sterne-Hotel zum Vino ein. Wahnsinn.

Es lagen nur knapp 20 Jahre dazwischen, da hatte Xing mich 1984 noch darum gebeten, ob ich ihm ein „Tsingtao-Bier“ kaufen könne, weil er es nicht bezahlen konnte. Klar, ich habe ihm damals einige Flaschen „Tsingtao-Bier“ (die Brauerei „Tsingtao“ ist übrigens eine deutsche Gründung) gekauft. Das hatte er nicht vergessen.

Jetzt, rund zwanzig Jahre später, war Xing reich geworden. Er konnte mir teure chinesische Vasen schenken. Er konnte mich zu einem Drink an der Bar eines Fünf-Sterne-Hotels einladen.

 

Mein Buch: Frauen  in China
von Helmut Hetzel (Hg)
 Es erschien 1986 beim dtv-Verlag in München

Das zeigt wie schnell die wirtschaftliche Entwicklung in China ging. Wie schnell einst arme Leute wie Xing plötzlich reich werden konnten. Es symbolisiert das chinesische Wirtschaftswunder.

Der Initiator dieses beispielosen wirtschaftlichen Aufschwungs, der in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen  begann, war Deng Xiaoping. China ist durch seine Wirtschaftspolitik zu einer Weltmacht aufgestiegen – wirtschaftlich und militärisch.

 

Zurück zu Rudyak und dem „Dialog mit dem Drachen.“

 

 

Sie plädiert für eine „strategische Empathie“ gegenüber China – statt blinden Optimismus oder prinzipieller Ablehnung. Sie fordert ein faktenbasiertes Verständnis, um Entscheidungen gemeinsam mit Peking auf Augenhöhe möglich zu machen.

Kritisch reflektiert Rudyak unsere westliche Nachlässigkeit: Der Westen sei bequem – und auch naiv – geworden, nach dem „Ende der Geschichte,“ die Fukuyama nach dem Fall der Mauer in Berlin 1989 ankündigte. Doch diese Selbstzufriedenheit und die Zeit der „Friedensdividende“ werde nun gefährlich, weil China seine eigenen Strategien längst entwickelt habe und zur Weltmacht Nummer eins werden will. China will die USA vom Sockel stoßen. US-Präsident Donald Trump weiß das. Darum dreht Trump Europa den Rücken zu. Er focuissiert sich ganz auf die USA – aber auch auf Asien und den Pazifischen Raum, auf China.

Deutschland und China

Auch Deutschland ist gefordert, das Verhältnis zu China neu zu defninieren und zu überdenken.

Im Interview mit der WELT (18.4.2025) beschreibt Rudyak das deutsche China-Bild wie folgt:

„In Deutschland erscheint China oft sehr eindimensional – als monolithisch, top-down organisiert, gleichgeschaltet. Es herrscht der Eindruck, als seien alle mit der Regierungslinie einverstanden und als gebe es keine Kritik. In China ist das ganz anders. Es gibt ein Sprichwort: „Der Himmel ist hoch und der Kaiser ist weit.“ Die Regierung ist wie das Wetter – man kann sie nicht ändern, also arrangiert man sich mit ihr. Im Alltag äußern sich viele durchaus kritisch, Taxifahrer etwa schimpfen offen über die Regierung.“

Kulturunterschiede

Auf Seite 69 stellt sie in ihrem Buch „Dialog mit dem Drachen“ in einer schönen Anekdote fest, wie unterschiedlich doch „wir Westler“ und „die Chinesen“ sind – am Beispiel dessen, was wir unter Freundschaft verstehen.

Sie schreibt: „Hierzulande gehen wir meist davon aus, dass Freundschaften etwas Privates sind, eine freiwillige Beziehung zwischen Personen sind, die sich durch eine emotionale Bindung, gar eine Innigkeit auszeichnen. In China hingegen bezeichnet man sich schon als „Freunde,“ wenn man auf dem Markt um einen Preis verhandelt.“

Ähnlich ist es mit dem Zeitbegriff der Chinesen. Er ist völlig anders. Er ist langfristig, strategisch, ja fast unendlich, während „wir Westler“ meist kurzfristig und zeitlich taktisch denken und agieren.

Dann das „heiße Eisen“ Taiwan

 

In Taipeh vor dem Nationalmuseum

Dass die kommunistische Volksrepublik China (PRC) die demokratisch regierte Insel Taiwan beansprucht, das ist in völkerrechtlicher Hinsicht mehr als fraglich. Denn die Republik China auf Taiwan war nie Teil der erst am 1. Oktober 1949 von Mao Tse Tung ausgerufenen Volksrepublik China.

Denn die 1912 gegründete Republik China (ROC) besteht auf Taiwan weiter, weil der im chinesischen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten unterlegene Chiang Kai-shek nach seiner Flucht vom chinesischen Festland auf die Insel Taiwan die ROC dort als Staat fortsetzte.

Die Republik China wurde am 1. Januar 1912 in Nanjing offiziell gegründet. Sie entstand als Ergebnis der sogenannten Xinhai-Revolution (辛亥革命), die das Ende der über 2.000 Jahre alten kaiserlichen Herrschaft in China bedeutete – insbesondere den Sturz der Qing-Dynastie (1644–1911). Erster Präsident war Sun Yat-sen.

 

Taiwan war nie Teil der kommunistischen Volksrepublik China

 

Mao Tse Tung und die Kommunisten, die den Bürgerkrieg gegen Chiang Kai-shek und dessen Nationalisten gewannen, können also gar keinen Anspruch auf Taiwan erheben. Außerdem: Taiwan war bis 1945 als Kolonie unter der Herrschaft von Japan und im 17. Jahrhundert eine Kolonie der Niederlande (1624-1662).

Die Qing-Dynastie, die damals über China herrschte, eroberte Taiwan 1683.

Ab 1684 wurde Taiwan eine offizielle Provinz des chinesischen Kaiserreichs.

Taiwan war von da an bis 1895 Teil des chinesischen Kaiserreiches aber von 1895 bis 1945 eine Kolonie von Japan.

Taiwan war also lediglich für eine Zeit lang Teil des chinesischen Kaiserreichs – es war aber nie Teil der Volksrepublik China!

 

 

China – Taiwan – Rußland – Ukraine

Marina Rudyak: Anerkannte Sinologin — der Freitag

 

Rudyak schreibt dazu auf Seite 152 in ihrem lesenswerten Buch: „Dass China bisher nicht versucht hat, Taiwan militärisch einzunehmen, habe wiederum mit Angst zu tun. Denn wenn die „Wiedervereinigung“ die Voraussetzung dafür ist, Chinas Niedergang (und den der KPCh) zu verhindern, dann droht bei einem Scheitern das Ende der KPCh. Auch wenn nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 viel darüber spekuliert wurde, ob China diesen als Lackmuster für seine Invasionspläne zur Einnahme Taiwans nutzt, dürfte dieser Xi Jinping eher als Warnung dienen. Entgegen allen Plänen Putins ist es ihm nicht gelungen, die Ukraine in einem Blitzkrieg zu erobern.“

Ein ähnliches Szenario ist auch im Falle eines Angriffs von China auf Taiwan denkbar. Taiwan wird sich mit seiner „Stachelschwein-Strategie“ möglicherweise ebenso erfolgreich gegen die kommunistischen Angreifer aus Peking wehren können, wie die Ukraine das gegen die russischen Agressoren tut.

US-Taiwan-Relation Act

Außerdem stünden die USA in der Pflicht, Taiwan zu verteidigen. Es gibt den Beistandspakt, den US-Taiwan-Relation-Act. Auch Japan und Süd-Korea haben ein elemantares Interesse daran, dass Taiwan nicht von China erobert werden kann. Sie werden voraussichtlich zusammen mit den USA Taiwan bei einem Angriff von China militärisch unterstützen. Ein Angriff Chinas auf Taiwan hat also das Potenzial, den Dritten Weltkrieg sowie eine schwere Weltwirtschaftskrise auslösen. Denn Taiwan ist mit seinem Unternehmen Taiwan Semiconductor Manufacturing Company TSMC der führende Halbleiterhersteller der Welt.

Mein Interview mit Morris Chang, dem Gründer und langjährigen CEO von TSMC in Taiwan – Er gilt als der „Godfather of Semiconductors.“ Er ist heute in Taiwan ein Held

 

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, so  stellt  Rudyak treffend fest: „Die chinesische Volksbefreiungsarmee (VBA) dürfte ihren russischen Kollegen, was Korruption angeht, durchaus das Wasser reichen.“ … „In der zweiten Hälfte von 2023 haben 15 hochrangige Militärs ihre Posten wegen Korruption verloren.“

Aber: „Das Aufräumen könnte darauf hindeuten, dass Xi die Streitkräfte bestmöglich auf eine Invasion Taiwans vorbereiten will.“ (Seite 153).

Pakt zwischen Putin und Xi ?

Es gibt inzwischen Spekulationen darüber, dass der russische Diktator Wladimir Putin und der chinesische Alleinherrscher und „neue Kaiser“ Xi Jinping, einen gemeinsamen teuflischen Angriffspakt schmieden könnten: „Wenn China Taiwan angreift, dann greift gleichzeitig Russland ein Nato-Land an,“ lauten sie. So würden China und Russland gemeinsam einen Zwei-Fronten-Krieg gegen die Nato und die USA eröffnen. Es wäre möglicherweise der Auftakt zum Dritten Weltkrieg.

Fazit

Darum ist das Buch von Marina Rudyak nicht nur wichtig und ein „Must Read“ –  man muss es lesen. Es ist auch ein Weckruf an Politiker mit „strategischer Empathie“ den Dialog mit dem Drachen anzugehen – um so den Dritten Weltkrieg und eine Invasion von Taiwan zu verhindern.

Zur Person: Marina Rudyak

Marina Rudyak ist eine renommierte Sinologin und Expertin für Chinas Rolle in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit:

 

Marina Rudyak

Sie ist Assistant Professor am Institut für Chinese Studies der Universität Heidelberg und arbeitet derzeit an ihrer Promotion über chinesische Auslandshilfe, die Entwicklung der chinesischen Rolle im globalen Hilfssystem sowie Initiativen wie die  Belt and Road Initiative (BRI) – neue Seidenstraßen.

Zuvor war sie langjährige politische Beraterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Peking, Kirgisistan (Bischkek) sowie Shanghai. Dort leitete sie Programme zu regionaler Wirtschaftsintegration, inkl. grenzüberschreitendem Handel

Ihr Forschungsfokus umfasst:

Chinesische Entwicklungspolitik und Entwicklungsfinanzierung

Chinas außenpolitische Diskursstrategien und Ideologie der KPChina

Bilaterale Beziehungen mit Russland, Afrika, Zentralasien

Sie ist Ko-Gründerin des „Decoding China Dictionary“ und Principal Investigator im EU‑Projekt „Deconspirator“

Marina Rudyak ist mehrsprachig (Russisch, Deutsch, Englisch, Chinesisch) und aktiv in Netzwerken wie Global Diplomacy Lab, Zukunftsbrücke und der BMW Foundation

Chinaoffice

Neben ihrer akademischen Tätigkeit betreibt sie den „China Aid Blog“, in dem sie aktuelle Entwicklungen rund um chinesische Entwick‑lungspolitik analysiert

In Pursuit of Development

Kurzprofil im Überblick:

Position   Assistant Professor │ Heidelberg

Forschung  China & Entwicklungszusammenarbeit; BRI; diplomatischer Diskurs

Berufserfahrung GIZ-Beraterin in Peking, Bischkek, Shanghai

Projekte   Decoding China Dictionary; Deconspirator (Horizont Europa)

Netzwerke  Global Diplomacy Lab, Zukunftsbrücke u.a.

Sprachen:  RUS / DE / EN / ZH

„Dialog mit dem Drachen“ von Marina Rudyak (Campus Verlag, Frankfurt/M., New York) Erscheinungsdatum: 17. April 2025, 28 Euro.

Dialog mit dem Drachen: Wie uns strategische Empathie gegenüber China stärken kann

 

Links:

https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/wirtschaft/dialog_mit_dem_drachen-18466.html?srsltid=AfmBOopkS-6qzBamw-SZKYKse846wpiTJOFaVJufDMrFF9lzXSky8Al2

 

https://www.hetzelmedia.com/china-droht-taiwan-immer-brutaler-die-rolle-von-asml-und-tsmc-christophe-fouquet-neuer-ceo-von-asml/

https://www.hetzelmedia.com/taiwan-was-never-part-of-the-peoples-republic-of-china/

https://www.hetzelmedia.com/china-macht-jagd-auf-dissidenten-im-ausland/

 

www.helmuthetzel.com

www.hetzelmedia.com

www.haagsche-salon.com

 

 

Mao Tse Tung – Gründer der kommunstischen Volksrepublik China 1949. Er eroberte danach Tibet. Seither werden die Tibeter von Peking unterdrückt. Deng Xiaoping brachte die Wirtschaftsreformen und schlug die Demokratiebewegung in China – Tiananmen-Massaker – blutig nieder. Er holte aber auch Hongkong und Macao „heim ins Reich“der Mitte.“ Xi Jinping will es jetzt Mao und Deng gleichtun – Er will Taiwan erobern. Nur so kann er neben Mao und Deng in seinen Augen ein ebenbürtiger „kommunistischer Kaiser“ sein.

 

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