HM HETZEL-MEDIA

Von       : H.HETZEL, Den Haag

Datum     : 30.6.2020

Die Analyse:

Niederlande/Großbritannien/Shell

Shell: Von Big Oil to Big Energy

Hohe Abschreibungen im Shell-Gasgeschäft/Umbau des Konzerns zum Energiekonzern mit Schwerpunkt Stromerzeugung beschleunigt sich

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Die Corona-Krise geht auch an Europas größten privaten Energiekonzern Royal Dutch Shell nicht spurlos vorüber. Sie wird Shell grundlegend verändern und erzwingt eine völlige Neuausrichtung des Konzerns. Weg vom Öl, weniger Gas, hin zu erneuerbaren Energien und hin zur Elektrizität. Shell will bis 2030 der größte Stromkonzern der Welt werden, so das Ziel, das der Shell-Chef Ben van Beurden vorgegeben hat. Van Beurden muss handeln. Denn der laufende Strukturwandel weg von Öl, Benzin, Diesel und hin zur Elektrizität und den Elektro-Autos lässt ihm keine andere Wahl.

Der Shell- Vorstandsvorsitzende Ben van Beurden

 

Ben van Beurden, CEO Royal Dutch Shell  Den Haag

spricht von ,,extrem herausfordernden Marktverhältnissen.‘‘

 

Wegen der Corona-Krise bestehe das Risiko, dass es eine ,,längere Periode von wirtschaftlichen Unsicherheiten, niedrigen Preisen, einer hohen Volatilität am Markt und große Unsicherheiten bei der Nachfrage nach Öl und Gas geben könnte.‘‘ Der Lockdown in vielen Ländern habe die Nachfrage nach Öl und Gas einbrechen lassen,‘‘ so van Beurden.

Es besteht Handlungsbedarf. Das beweist auch das jüngste Zwischenergebnis von Shell im ersten Quartal dieses Jahres.

 

 

Im Upstream-Sektor (Ölförderung) brach das Ergebnis wegen des niedrigen Ölpreises und geringerer Fördermengen um  82 % auf nur noch 291 Mio. Dollar (Vorjahreszeitraum: 1,648 Mrd. Dollar) ein. In der Chemiesparte sank das Resultat um ein Drittel auf nur noch 148 Mio. Dollar. Lediglich mit den Ölprodukten (Downstream) konnte Shell noch einen mit 1,363 Mrd. Dollar (Vorjahr: 1,448 Mrd. $) fast so hohen Überschuss erwirtschaften wie noch vor der Corona-Krise vor einem Jahr. Der Gewinn je Shell-Aktie auf CCS-Basis zu aktuellen Wiederbeschaffungskosten sank im zurückliegenden ersten Quartal 2020 um 46 % auf 0,35 $ (Vorjahr: 0,65) Dollar. Shell stoppt ferner das laufende Aktienrückkaufprogramm, das ein Volumen von 25 Mrd. Dollar hatte und von dem bisher für 16 Mrd. Dollar bereits eigene Aktien eingekauft worden sind.

Corona-Krise: Shell kürzt erstmals die Dividende seit 1940

Das Schlimmste für die Shell-Aktionäre: Die Dividende wurde um 66 % von bisher 0,47 Dollar auf jetzt nur noch 0,16 Dollar je Aktie pro Quartal gekürzt. Erstmals seit 1940 kürzte Shell anno 2020 die Dividende. Folge: Die Shell-Aktien sind abgestürzt. Vor einem Jahr wurden sie noch zum stolzen Preis von 29 Euro je Titel an der Börse gehandelt. Jetzt kosten sie mit 14,90 Euro je Shell-Titel nur noch die Hälfte. Das einst unser vielen Aktionären kursierende Motto: Never sell Shell (Shell-Aktien niemals verkaufen) ist zur Makulatur geworden.

Nun kommen auch noch neue Hiobsbotschaften des mit Hauptsitz in Den Haag ansässigen Öl- und Gas-Multis. Im fernen Australien, wo Shell mit der treibenden Gasförderungsplattform ,,Perlude,‘‘ Gas gewinnt, gibt es ,,technische Probleme,‘‘ teilte Shell mit. Das hat zur Folge, dass die Gasförderung (LNG, Liquid Natural Gas) dort niedriger ausfällt, dass Shell in diesem Jahr voraussichtlich zwischen 8,0 Mrd. und 9,0 Mrd. Dollar im Sektor Gasförderung abschreiben muss.

Der Schweizer Peter Voser war als Shell-Chef noch optimistisch in Sachen Öl- und Gasförderung

Das ist eine zweite Hiobsbotschaft für den Markt und die Anleger nach der nach Meinung vieler Marktteilnehmer völlig überhöhten Dividendenkürzung von 66 %. Der Schweizer Peter Voser, Vorgänger von Ben van Beurden als Shell-CEO, sah vor sechs Jahren noch eine große Zukunft für große LNG-Projekte á la ,,Prelude‘‘ in Australien. Aber ob sich diese künftig noch rentieren, das ist die Frage. Denn die Preise für LNG-Flüssiggas sind an die Ölpreise gekoppelt. Und der Ölpreis ist derzeit auf einem sehr niedrigen Niveau. Er pendelt um 40 Dollar je Barrel von 159 Litern für die Qualität Brent Blend. Um im Upstream-Bereich (Öl- und Gasförderung) wieder satte Gewinne erwirtschaften zu können, müsste der Ölpreis nach Meinung von Analysten wieder mindestens die 60-Dollar-Marke knacken. Auch der noch immer am Markt tobende Preiskampf großer Öl- und Gasproduzenten wie Saudi Arabien, Russland, Qatar, Irak und Iran, der auf die Öl- und Gaspreise drückt, sowie die Corona-Krise, die die Wirtschaft in eine tiefe Rezension katapultierte, sind keine gute Voraussetzungen für eine schnelle Erholung des Öl- und Gaspreises.

 

Offshore Industry oil and gas production petroleum pipeline.

Ferner, so meinen Marktanalysten, wird Shell wohl nicht umhin können, um unter diesen schwierigen Marktverhältnissen der sinkenden Öl- und Gasnachfrage weitere Wertberichtigungen und Abschreibungen auf seine Öl- und Gasfelder vornehmen zu müssen. Etwa in Nordamerika bei der Gewinnung von Öl mit dem so genannten ,,Fracking‘‘ aus Schiefergestein. Oder bei der Ölgewinnung in der Tiefsee vor der Küste von Brasilien. Zwischen 4,0 Mrd. Dollar 6,0 Mrd. Dollar an Abschreibungen könnten diese Aktivitäten zur Folge haben, wenn sich das jetzige Geschäftsumfeld nicht schnell verbessert.

Beispiel Chesapeak

Das US-Fracking-Unternehmen, einst an der Börse 35 Mrd. $ wert, musste nun Insolvenz anmelden. Denn Öl mit der Fracking-Methode aus Schiefergestein zu gewinnen, das ist teuer. Es kostet etwa 70 Dollar je Barrel. Fracking-Unternehmen machen beim derzeitigen Ölpreis von rund 40 Dollar also einen Verlust von 30 Dollar je Barrel Öl, das sie fördern.

,,Shell wird ein anders Unternehmen werden müssen, das seinen Fokus nicht mehr auf die Öl- und Gasförderung legt,‘‘ meint der ING-Öl-Analyst Quirijn Mulder. ,,Elektrizität und erneuerbare Energien sind die neuen Herausforderungen.‘‘ Diesen Weg hat Shell bereits eingeschlagen, beispielsweise mit der Übernahme von New Motion.

Das Elektro-Auto auf der Überholspur – Aber wäre das Wasserstoff-Auto nicht die bessere Lösung?

New Motion  betreibt rund 50.000 Ladestellen für Elektro-Autos in ganz Europa, hauptsächlich in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ferner hat New Motion an seine Kunden rund 100.000 Mitgliedspässe ausgegeben. Sie machen das Laden von Elektro-Autos in 25 europäischen Ländern möglich. Als nächstes will Shell einen großen Stromkonzern akquirieren, da die Übernahme von Enron gescheitert ist. Shell ist auf dem Weg von  ,,Big Oil to Big Energy.‘‘

 

Links:

www.helmuthetzel.com

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https://www.telegraaf.nl/financieel/1275579508/slechtnieuwsshow-bij-shell-nog-niet-voorbij

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