HM-HETZELMEDIA

Von       : H.HETZEL, Den Haag

Datum     : 23.8.2021

Die Holland-Kolumne

Niederlande/Sozialhilfe

Menschlichkeit adé – es leben die Paragrafen

Kuriose Niederlande: Mutter darf Tochter keine Lebensmittel liefern, weil diese Sozialhilfeempfängerin ist/Die Bürokratie siegt vor Gericht über die Menschlichkeit

Von HELMUT HETZEL

Den Haag. Der renommierte Haager Schriftsteller Theo Monkhorst veröffentlichte gerade einen neuen Roman. Er spielt im Jahr 2050. Titel: ´´Rozen en Rook„ (Rosen und Rauch). In dem Roman geht es um die Sehnsucht, die Sehnsucht der Menschen zurück zur Menschlichkeit, zurück zu einem humanen Leben,  weil Roboter und die mathematischen Gesetze anno 2050 die Welt regieren. Kalt, kühl, rechnerisch, ohne Emotionen, ohne Empathie, ohne Mitgefühl.

Das Jahr 2050 mag noch weit weg sein. Aber was der Autor Theo Monkhorst thematisiert ist in den Niederlanden anno 2021 schon teilweise Realität.

Noch reagieren nicht die Roboter, aber es regiert schon eine herzlose Bürokratie über Menschen, die Menschen eine formaljuristische Zwangsjacke anlegen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten – und zwar bis zum letzten Komma hinter den Paragrafen.

Tulpenblüte in Holland

So geschehen in dem kleinen niederländischen Städtchen Wijdemeren, 24.013 Einwohner, östlich von Amsterdam gelegen.

Dort lebt eine Frau. Sie ist arbeitslos. Sie enthält staatliche Sozialhilfe. Exakt 1.139,98 Euro im Monat. Sie hat noch eine Mutter, die sich um sie sorgt, so wie sich jede Mutter um ihre Kinder sorgt. Ihre Mutter ging einmal die Woche für die Tochter einkaufen, weil ihrer Tochter das Geld der Sozialhilfe hinten und vorne nicht reichte, um damit zu leben, die Miete zu bezahlen, um über die Runden zu kommen. Mutti kaufte Brot und Kaffee, Obst und Gemüse für ihre Tochter.

 

Die Tochter aber machte einen Fehler. Sie meldete der Stadt Wijdemeren nicht, dass ihre Mutter für sie Lebensmittel einkauft. Sie hatte Angst, das ihr die Sozialhilfe gekürzt werden könnte, wenn sie angibt, dass ihre Mutter für sie Lebensmittel kauft. Die Stadt kam dahinter.

Folge: Die Sozialhilfeempfängerin erhielt einen Bußgeldbescheid über 7.000 Euro. Begründung: Betrug. Sie habe der Stadt verschwiegen, dass sie als Sozialhilfeempfängerin noch von ihrer Mutter unterstützt wird. Das ist nach niederländischem Recht meldepflichtig. Das könnte  zu einer Kürzung der Sozialhilfe führen.

Mutter und Tochter akzeptieren den Bußgeldbescheid nicht. Sie ziehen vor Gericht. Sie fechten den Bußgeldbescheid über 7.000 Euro an. Jetzt entschied das Gericht. Der Bußgeldbescheid über 7.000 Euro wurde auf 2.835 Euro reduziert, weil die Stadt Wijdemeren nicht vollständig nachweisen kann, wie viele Lebensmittel die Mutter für ihre Tochter gekauft hat.

Aber das Gericht blieb in seiner Urteilsbegründung grundsätzlich dabei: Die Sozialhilfeempfängerin hat gegen das Gesetz verstoßen, weil sie die Lebensmittelzuwendungen, die sie von ihrer Mutter erhielt, der Stadt nicht gemeldet hat. Also muss sie bestraft werden. Bußgeld, wie gesagt, 2.835 Euro. Das sind fast drei Monatssätze der Sozialhilfe, die die Frau als Strafe nun zu zahlen hat.

Doch das Gericht zeigte sich noch ein ganz klein wenig menschlich und gnädig. Es verurteilte auch die Stadt Wijdemeren zu einem Bußgeld von 200 Euro, weil sie die Wohnung der Sozialhilfeempfängerin durch einen Beamten widerrechtlich betreten hat. Außerdem muss die Stadt  Wijdemeren auch die Gerichtskosten des gegen sie geführten Prozesses tragen.

Ein salomonisches Urteil? Antwort: Nein.

Sie sieht alles

Der Autor Theo Monkhorst hat nun jedenfalls Stoff für einen neuen Roman. Titelvorschlag: Bornierte Bürokraten. Holland anno 2021. Wie paragrafenhörige Beamte die Menschlichkeit in den Niederlanden schon anno 2021 formaljuristisch abschaffen wollen – per Bußgeldbescheid.

 

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Links:

https://monkhorst-verhalen.nl/

https://www.facebook.com/theo.monkhorst?fref=mentions

https://de.wikipedia.org/wiki/Wijdemeren

 

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